Wo suchen Sie Gott

Autorin: Sr. Annemarie Kirsch OP

Als ich ein Kind war,
suchte ich Gott im Himmel
hoch über den Wolken.
Unverwandt blickte ich ins Licht,
das von oben kam.

Als ich heranwuchs,
suchte ich ihn in den Schwestern und Brüdern,
die um mich herum waren.

Als ich in der Mitte des Lebens war,
suchte ich ihn auf den Pisten der Wüste.

Nun da mein Weg zu Ende geht,
genügt es mir, die Augen zu schließen,
und ich finde Gott und den Himmel in mir.

(Carlo Caretto)

Wo suchen Sie Gott?

Im Evangelium (Mt 28,20 in der Übersetzung von Fridolin Stier) ist uns folgende Verheißung gegeben:

Ich bin mit euch durch das All der Tage bis zum Voll-Ende der Weltzeit.

Der Weg nach Emmaus

Autor: Pfarrer Michael Paul

Viele Gemeinden laden am Ostermontag zu einem Emmaus-Gang ein. Dieser Brauch erinnert an den Weg der beiden Jünger nach Ostern, von Jerusalem in das Dorf Emmaus. Allerdings war es damals kein Osterspaziergang. Im Gegenteil, eher ein Weg mit zerstörten Hoffnungen und Träumen, die sich für die beiden nicht erfüllt hatten, denn der erhoffte Erlöser war am Kreuz gestorben.

Doch die Emmaus-Geschichte erzählt auch von einem erlösenden Wendepunkt. Der Unbekannte, der mit den beiden Jüngern unterwegs ist, entpuppt sich als der scheinbar verloren geglaubte Jesus Christus. Schritt für Schritt kommen sie ihm näher. Zunächst mit Blindheit geschlagen, geht ihnen plötzlich ein Licht auf, brennt ihnen das Herz, steigt vor ihnen die nie verlöschende Sonne auf.

Diese Sonne hat nie aufgehört zu strahlen! Jedoch soll das nicht heißen, dass sie für jedermann jederzeit ungestört glänzt. Der Herr hat seiner Kirche und den Seinen, die mit ihr unterwegs nach Emmaus sind, keineswegs eine durchgängige Schönwetterperiode versprochen.

Die kirchliche Wetterlage hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Da gab es hier und da kreisende Wirbel von Extremen, die Ängste ausgelöst haben, wirkliche und eingebildete um Verlust von Glaubenssubstanz, Tradition und Identität des Katholischen und Gefährdung von Autorität. Manchmal sind Platzregen der Indoktrination niedergegangen, die die Herzen nicht erreicht haben. Es gab Warm- und Kaltfronten einer offenen und sich verschließenden Kirche, es türmten sich Gewitterfronten auf, manchmal gar mit heftigem Blitzen. Bei solchem Wetter mögen viele den Emmaus-Gang nicht auf sich nehmen. Andere wagen es dennoch, da sie der instabilen Wetterlage trotzend in der Kirche die lokalen Aufhellungen und Föhneinbrüche des Heiligen Geistes erkennen.

Mache ich mich mit Christus auf den Weg nach Emmaus oder nicht?

Allen Fröstelnden sei gesagt: Ein strenger Wind erfrischt mitunter; es ist ungesund, wegen der Wetterlage im Kämmerlein privater Frömmigkeit zu bleiben.

Bei schlechtem Wetter den Weg nach Emmaus wagen? Ich greife zu, wärmenden Pullover, hole festere Schuhe heraus und ziehe einen Regenschutz drüber. Als Christ kann man heutzutage gar nicht warm genug angezogen sein.

Am besten nehme ich noch einen zusätzlichen Pulli mit auf den Weg, falls mir unterwegs jemand begegnet, der keinen hat. Wärmende Pullover verweisen auf das unvergängliche Erbe des christlichen Lebens. In den schlimmsten Zeiten, als vieles im Argen lag, haben sich die Jünger Jesu immer um Arme, Behinderte und Heimatlose bemüht, Kranken Medizin gebracht und ihnen Kleidung gegeben.

Machtkämpfe wurden verfochten, konfessionelle Landesknechtsheere wie geistliche Fürstentümer sind nun längst verschwunden, die Liebe aber blieb und mit ihr der wärmende Pullover, der alle Wetter der Geschichte überwunden hat. Es gibt ihn bis heute, in den verschiedensten Mustern, noch immer farbecht, auf den Auslagen unserer Epoche. Man muss sich nur das Passende suchen. Die Nächstenliebe ist so erfinderisch wie eh und je.

Dank meiner festen Bergschuhe ist mir der Zustand des Emmaus-Weges egal. Er kann schmutzig, rutschig oder steil sein. Feste Schuhe für Krisenzeiten verweisen auf tiefere Bildung und ein klares Urteil. Schon Jesus hat seine Kritiker gedrängt, besser zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem, Göttlichem und Menschlichem, Bleibendem und Veränderbarem zu unterscheiden. Wir brauchen heute Bergschuhe aus dem Kernleder des Gotteswortes und der Profilsohle eines bewussten Glaubens. Es muss ein Schuhwerk sein, das mir und meiner Situation angepasst ist. Bequeme Schlafpantoffeln taugen heute wohl kaum, um durch die Schneeverwehungen des Zeitgeistes zu stapfen.

Bleibt der Regenschutz, den ich so oft schon verlegt habe, da man ihn eben nur im Notfall nutzt. In unserer hektischen Epoche verweist er auf die Gabe christlicher Gelassenheit und Geduld und kann viele Schlechtwetterperioden überdauern. Jesus hat wohl keine Regenjacke getragen, aber von der Geduld hat er sehr wohl gepredigt, den Übereifrigen zum Beispiel, die alles Unkraut ausreißen wollten und dabei fast das Weizenfeld zertrampelt hätten. Apropos Regenschutz: Der Regenschutz der Geduld muss nicht unbedingt schwarz und dezent, er kann auch erfrischend sein. Christliche Geduld ist durchaus mit Humor zu verbinden.

Das wären meine Empfehlungen für alle Allwetterchristen, die in diesen Tagen auf den Emmaus-Gängen ihres Lebens unterwegs sind. Sich auf den Weg machen, heißt nicht in Düsternis, Schwarzsehen und Trauer enden, heißt Ostern begegnen.

Es gibt sie, die Augenblicke der erfahrbaren Nähe Gottes, egal wie das Wetter ist. Über allem leuchtet die Sonne des Auferstandenen, der schon längst zu den Seinen unterwegs ist.

Die Seligpreisungen – ein Weg in die Erfahrung

Autorin: Sr. Mechthild Fricke OP

„Freund, wo nicht Christus wirkt,
da ist er auch noch nicht.
Obgleich der Mensch
von ihm singet oder spricht.“

Angelus Silesius

Lange suchte ich und sehnte mich danach, in die Erfahrung der ‚Christuskraft‘ zu kommen. Eines Tages dann geschah es, dass ich den Weg, der in eine solche Erfahrung führt, in den Seligpreisungen der Bergpredigt ent-deckte (Mt 5,3-12). Ihnen nachsinnend entstand in meinem Herzen folgender Hymnus:

Es dauert lange, lang –
bis du erkennst,
dass nur ein armes, ein leeres Herz
dich ent-grenzt.
Denn lassen, lösen dich –
das ist ein hartes Ding,
und nur wer geleistet Trauerarbeit weiß,
wovon ich sing!

Geleistet – du?
Das war dein Gott!
ER, der gewaltig liebt,
bracht‘ über dich die Not,
damit du gewaltlos sollst werden,
befreit vom Trieb der Macht dieser Erden.

Weit und weiter wird dein Herz.
Und im Erkennen – nur vom Ego kommt der Schmerz –
brichst du die Enge mehr und mehr
und suchst allein des Ewgen Ehr!
Sie ist die Deine nun geworden.

Du lebst, du liebst,
bist Himmelspforten.
Ganz umsonst gibst du dich hin,
ist doch dein Herz ein lauter Ding.
Ganz ohne Absicht ist es da,
schenkt Fried als Frucht –
ja es ist wahr:
So ein Leben, hier auf der Welt,
ist selig zu preisen im Spannungsfeld!

Nach weiterem intensivem Meditieren der Seligpreisungen entstand dann ein Referat, das ich in der Zeitschrift  Kontemplation und Mystik , Jg. 12, Heft 2/2011, Verlag Via Nova, Bestell-Nr. ISSN 1610-2185 unter dem Titel „Die Seligpreisungen kontemplativ gelesen“ veröffentlichte.

► Link zum Referat
► Weitere Informationen zur Zeitschrift

Das Bild zum Impuls zeigt eine lebensgroße Bronzeplastik des sitzenden und lehrenden Christus der Künstlerin Gisela Drescher. Die Plastik steht auf dem Gelände des Benediktushofes in Holzkirchen/Unterfranken.

► Weitere Informationen zur Künstlerin
► Weitere Informationen zum Benediktushof

Bist Du es

Autorin: Sr. Annemarie Kirsch OP

Bist Du es, den ich erwarte

meine Sehnsucht
Himmel
ohne Leid, Not und Tod

Dein Angebot

ein Kind
ein Mensch
arm
machtlos
ausgeliefert
Erde
ein Bruder

Vermag ich das je zu fassen

Du hebst mich nicht
in den Himmel
Du kommst zu mir
auf die Erde

Du bekräftigst Dein – Ja –

zu dieser Erde, zu uns
zu Deiner Schöpfung

Dieses – Ja –
Herausforderung an uns
dieses – Ja – zu leben

Dich zu finden
hier und jetzt

Wie die Hirten
Himmel erfahren
weil Du da bist
in unserer Welt

Novembergedanken

Autorin: Sr. Helga Jörger OP

„Dankt dem Vater mit Freuden! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind.“ (Kol. 1,12)

Der Spätherbst ist für viele Menschen eine schwere Zeit. Depressionen brechen oft im November auf, die Novembernebel verschlucken die Lebensfreude, oft auch den letzten Lebenswillen. Gefühle der Einsamkeit, des Alleinseins nehmen zu, die Natur spiegelt die Vergänglichkeit unseres Lebens wieder.

Die Kirche aber feiert den Beginn des Novembers mit einem strahlenden Fest: mit Allerheiligen

Wen feiern wir an Allerheiligen, wer sind sie, die Heiligen?
  • sind es die namhaften Heiligen, die wir im Laufe des Kirchenjahres sowieso feiern
  • sind die Heiligen nicht zu weit weg von unserem Alltag
  • leben sie nicht in einer unzugänglichen Zukunft, die unsere Gegenwart kaum berührt
  • sind es nicht unerreichbare Gestalten, die uns mehr erschrecken, als uns einladen, sich mit ihnen zu beschäftigen

Schauen wir zunächst in das Evangelium des Festtages! Da stellen wir fest, dass es die ganz Kleinen sind, die Jesus seligpreist, die Armen, die Trauernden, die Gewaltlosen und Hungernden, die Barmherzigen und Lauteren, die Friedfertigen und Getretenen. Jesus selbst hat sich um diese Kleinen gekümmert. Er hat die Traurigen getröstet, die Kranken und Leidenden geheilt und die Ausgestoßenen wieder in die Gemeinschaft zurückgeholt.

Die Heiligkeit der Großen hat immer damit angefangen, dass sie auf die Botschaft Jesu hörend auf die Kleinen und Armen zugegangen sind. Mit ihnen haben sie ihr Leben oft auf unkonventionelle Weise geteilt. Sie haben für die an den Rändern der Gesellschaft Lebenden diese Welt oft etwas lebenswerter, friedlicher und gerechter gemacht.

Heilige sind also Menschen, in denen Gott gleichsam von unten her wirkt, vom Boden der Gegenwart mit all dem, was die Menschen suchen, was ihre Freuden und ihre Nöte sind. In ihnen dürfen wir erspüren, dass Gottes Geist immer neu da ist und wirkt. In ihnen setzt er Zeichen für das Neuwerden, für den Weg des Glaubens in die Zukunft hinein.

Heilige sind Zeugen, Dokument dafür, dass Gottes Gegenwart unter uns sichtbar und spürbar ist.

„Die Heiligkeit ist auf keine Formel zu bringen, oder vielmehr auf alle …“ schreibt der französische Schriftsteller Georges Bernanos im Blick auf unseren Ordensgründer Dominikus.

Kann das nicht eine Botschaft sein, die uns die Heiligen, die namhaften und die namenlosen hinterlassen und uns ermuntern, unseren ganz persönlichen Weg in der Schlichtheit und Treue unseres alltäglichen Ja zu gehen?