Der Weg nach Emmaus

Autor: Pfarrer Michael Paul

Viele Gemeinden laden am Ostermontag zu einem Emmaus-Gang ein. Dieser Brauch erinnert an den Weg der beiden Jünger nach Ostern, von Jerusalem in das Dorf Emmaus. Allerdings war es damals kein Osterspaziergang. Im Gegenteil, eher ein Weg mit zerstörten Hoffnungen und Träumen, die sich für die beiden nicht erfüllt hatten, denn der erhoffte Erlöser war am Kreuz gestorben.

Doch die Emmaus-Geschichte erzählt auch von einem erlösenden Wendepunkt. Der Unbekannte, der mit den beiden Jüngern unterwegs ist, entpuppt sich als der scheinbar verloren geglaubte Jesus Christus. Schritt für Schritt kommen sie ihm näher. Zunächst mit Blindheit geschlagen, geht ihnen plötzlich ein Licht auf, brennt ihnen das Herz, steigt vor ihnen die nie verlöschende Sonne auf.

Diese Sonne hat nie aufgehört zu strahlen! Jedoch soll das nicht heißen, dass sie für jedermann jederzeit ungestört glänzt. Der Herr hat seiner Kirche und den Seinen, die mit ihr unterwegs nach Emmaus sind, keineswegs eine durchgängige Schönwetterperiode versprochen.

Die kirchliche Wetterlage hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Da gab es hier und da kreisende Wirbel von Extremen, die Ängste ausgelöst haben, wirkliche und eingebildete um Verlust von Glaubenssubstanz, Tradition und Identität des Katholischen und Gefährdung von Autorität. Manchmal sind Platzregen der Indoktrination niedergegangen, die die Herzen nicht erreicht haben. Es gab Warm- und Kaltfronten einer offenen und sich verschließenden Kirche, es türmten sich Gewitterfronten auf, manchmal gar mit heftigem Blitzen. Bei solchem Wetter mögen viele den Emmaus-Gang nicht auf sich nehmen. Andere wagen es dennoch, da sie der instabilen Wetterlage trotzend in der Kirche die lokalen Aufhellungen und Föhneinbrüche des Heiligen Geistes erkennen.

Mache ich mich mit Christus auf den Weg nach Emmaus oder nicht?

Allen Fröstelnden sei gesagt: Ein strenger Wind erfrischt mitunter; es ist ungesund, wegen der Wetterlage im Kämmerlein privater Frömmigkeit zu bleiben.

Bei schlechtem Wetter den Weg nach Emmaus wagen? Ich greife zu, wärmenden Pullover, hole festere Schuhe heraus und ziehe einen Regenschutz drüber. Als Christ kann man heutzutage gar nicht warm genug angezogen sein.

Am besten nehme ich noch einen zusätzlichen Pulli mit auf den Weg, falls mir unterwegs jemand begegnet, der keinen hat. Wärmende Pullover verweisen auf das unvergängliche Erbe des christlichen Lebens. In den schlimmsten Zeiten, als vieles im Argen lag, haben sich die Jünger Jesu immer um Arme, Behinderte und Heimatlose bemüht, Kranken Medizin gebracht und ihnen Kleidung gegeben.

Machtkämpfe wurden verfochten, konfessionelle Landesknechtsheere wie geistliche Fürstentümer sind nun längst verschwunden, die Liebe aber blieb und mit ihr der wärmende Pullover, der alle Wetter der Geschichte überwunden hat. Es gibt ihn bis heute, in den verschiedensten Mustern, noch immer farbecht, auf den Auslagen unserer Epoche. Man muss sich nur das Passende suchen. Die Nächstenliebe ist so erfinderisch wie eh und je.

Dank meiner festen Bergschuhe ist mir der Zustand des Emmaus-Weges egal. Er kann schmutzig, rutschig oder steil sein. Feste Schuhe für Krisenzeiten verweisen auf tiefere Bildung und ein klares Urteil. Schon Jesus hat seine Kritiker gedrängt, besser zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem, Göttlichem und Menschlichem, Bleibendem und Veränderbarem zu unterscheiden. Wir brauchen heute Bergschuhe aus dem Kernleder des Gotteswortes und der Profilsohle eines bewussten Glaubens. Es muss ein Schuhwerk sein, das mir und meiner Situation angepasst ist. Bequeme Schlafpantoffeln taugen heute wohl kaum, um durch die Schneeverwehungen des Zeitgeistes zu stapfen.

Bleibt der Regenschutz, den ich so oft schon verlegt habe, da man ihn eben nur im Notfall nutzt. In unserer hektischen Epoche verweist er auf die Gabe christlicher Gelassenheit und Geduld und kann viele Schlechtwetterperioden überdauern. Jesus hat wohl keine Regenjacke getragen, aber von der Geduld hat er sehr wohl gepredigt, den Übereifrigen zum Beispiel, die alles Unkraut ausreißen wollten und dabei fast das Weizenfeld zertrampelt hätten. Apropos Regenschutz: Der Regenschutz der Geduld muss nicht unbedingt schwarz und dezent, er kann auch erfrischend sein. Christliche Geduld ist durchaus mit Humor zu verbinden.

Das wären meine Empfehlungen für alle Allwetterchristen, die in diesen Tagen auf den Emmaus-Gängen ihres Lebens unterwegs sind. Sich auf den Weg machen, heißt nicht in Düsternis, Schwarzsehen und Trauer enden, heißt Ostern begegnen.

Es gibt sie, die Augenblicke der erfahrbaren Nähe Gottes, egal wie das Wetter ist. Über allem leuchtet die Sonne des Auferstandenen, der schon längst zu den Seinen unterwegs ist.