Aufstehn zum Leben

Autorin: Sr. Annemarie Kirsch OP

Lebst du oder
wirst du gelebt

Wähle das Leben
Einladung Gottes
an dich und mich

Wer möchte das nicht
– das Leben wählen –

Da heißt es
aufstehn
um frei zu werden
für das Leben

Augen, Ohren, Herz
und Verstand
öffnen
für das Leben

Loslassen
was verhärtet
was blind, taub
und gefühllos macht

AUFSTEHN ZUM LEBEN

Herzensbitte

Autorin: Katja Süß*

glaube nicht,
bitte glaube nicht
alles
sei schon wieder
vorbei

nur weil
die hirten gegangen
und das lied der engel
verklungen

glaube nicht,
bitte, glaube nicht,
das sei es gewesen,
mit dem fest
der menschwerdung

weil sie draußen
schon beginnen
die geschenke
umzutauschen
den baum
abzuschmücken
die lichterketten
zu verstauen

noch
sind die nächte
heilig
und in dir glimmt
der funke
göttlichen feuers

komm
wir setzen uns
ganz still
zum kind

lassen
den verstand
staunen
das herz
ausruhen
die seele
singen

und den himmel
in uns
die erde
berühren

*Katja Süß ist Mitglied der Dominikusgruppe Speyer, einer dem Institut assoziierten Laiengemeinschaft.

Inmitten der Nacht kommt das Heilige zur Welt

Autorin: Katja Süß*

auch an
weihnachten
zerbrechen
sterne

findet uns
die traurigkeit

klopft
die angst
an unsre tür

mögen wir
gerade dann
still werden
hinhören
tiefer gehen
staunend entdecken

jede scherbe
spiegelt
das licht

tränen
glitzern
wie morgentau

die botschaft
lautet
fürchte dich nicht

inmitten
der nacht
kommt
das heilige
zur welt

berühren sich
himmel
und erde

*Katja Süß ist Mitglied der Dominikusgruppe Speyer, einer dem Institut assoziierten Laiengemeinschaft.

Advent 2015

Autorin: Sr. Annemarie Kirsch OP

Ich weiß nicht, ob der Himmel niederkniet …*

Im Advent konfrontiert uns die Kirche mit der Botschaft der Menschwerdung Gottes in Jesus. Wie unfassbar, wie unglaublich diese Botschaft eigentlich ist, kommt in den Zeilen eines Gedichtes von Christine Lavant zum Ausdruck.

„Ich weiß nicht, ob der Himmel niederkniet, wenn man zu schwach ist, um hinaufzukommen?“ Aus diesen Worten spricht eine tiefe Sehnsucht, aber zugleich auch die Schwierigkeit der Botschaft zu trauen, dass Gott zu uns herabgestiegen ist und Mensch geworden ist in Jesus. Die Entscheidung zur Annahme dieser Botschaft bleibt uns so wenig erspart, wie den Menschen zurzeit Jesu. Von Beginn seines Lebens bis zu seinem Tod am Kreuz scheiden sich dabei die Geister. Es ist ja auch eine unglaubliche Botschaft, dass sich „der Himmel“ in unsere Armut niederkniet. Es ist die Herausforderung aus der Sicherheit unseres Denkens herauszutreten in eine für uns nicht fassbare Weite.

„Den Apfel nähme ich wohl gern herein und möchte heimlich an der Schale riechen, bloß um zu wissen, wie der Himmel schmeckt. … Doch eigentlich ist meine Stube gut …Mir tut auch nur der halbe Schädel weh …“ Mit diesen Worten zeigt Christine Lavant, was uns davon abhält, zu vertrauen, dass Gott in unsere Tiefe hinabsteigt.

Wagen wir erneut das tiefe Vertrauen in die Liebe Gottes zu uns Menschen, sie führt uns heraus aus unserer engen Stube in die Weite der Liebe zu uns und den Mitmenschen.

* Christine Lavant in „Ich weiß nicht, ob der Himmel niederkniet …“
Gemälde: Hiltrud Rauner

Es geht nicht an

Autorin: Annette Schulze

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und alles bleibt, wie es ist.

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und kein Mensch lässt ihn ein.

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und kein Mensch wird anders.

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und die Welt geht ihren Gang.

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und Kinder weinen noch immer.

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und Menschen abseits stehen müssen.

Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird
und keinem Menschen geht ein Licht auf.

(Werner Schaube)

Mit dem Anspruch, die Advents- und Weihnachtszeit als besinnliche Zeit erfahren zu müssen, setzen wir uns selbst unter Druck. Plätzchen backen, Grüße schreiben, Päckchen verschicken – die schönen Traditionen machen unsere Alltage noch voller. Aber das Geheimnis von Weihnachten ist im Grunde ganz einfach: Gott wird Mensch – mitten in unserer Welt, mitten in unserem Leben. Und wenn uns mit diesem Geheimnis ein Licht aufgeht, wird sich etwas ändern in unserem Leben und in unserer Welt.

Gott wird Mensch, Gott schaut uns an – in der alten Dame, die ihren Hund ausführt, aus dem Kinderwagen der jungen Familie von nebenan und auch über Theken und Marktstände hinweg. Nicht zuletzt schaut Gott uns entgegen, wenn wir uns selbst im Spiegel betrachten.

Weihnachten heißt, dass Hirten und Könige, Menschen und Tiere ihren Platz an der Krippe haben. Es geht nicht an, dass Gott Mensch wird und alles bleibt, wie es ist.

Probieren wir doch mal aus, was wir verändern können, indem wir einander anders begegnen, weil Gott uns begegnet – jeden Tag neu.