Herbst

Seltener noch als sonst komme ich im Herbst von einem Spaziergang mit leeren Händen zurück.
Mal bringe ich Nahrhaftes mit wie ein Beutelchen Walnüssen, mal einen Handschmeichler in Form einer glatten, glänzenden Kastanie und fast immer einen Strauß Schönheit aus sich verfärbenden Blättern, aus Hagebutten und Efeufruchtständen, aus Kornrade und Rainfarn. Und gleich, ob in meinen Leben gerade Ebbe oder Flut herrscht, meine Tage hell oder dunkel sind und ich sie leichtfüßig und stolpernd durchschreite, immer ist mir weiter und froher ums Herz, wenn ich mit meinen Fundstücken zurückkehre. Kaum je lässt mich ein Gang im Herbst ohne tief empfundene Dankbarkeit für die Fülle und die Schönheit, die der nahende Winter hervorruft. Und im Lauf der Jahre habe ich gemerkt, dass Freude und Dankbarkeit sich verlängern und vertiefen, wenn ich, nach Hause gekommen, mir noch ein bisschen Zeit mit dem Mitgebrachten nehme, es fotografiere, eine besondere Vase oder Schale dafür finde, ihm einen Platz in meiner Wohnung gebe. Dann feiere ich sozusagen mein eigenes Erntedankfest, den kleinen Bruder des großen Festes, das mir lieb ist. Nie kann ich mich sattsehen an den so reich geschmückten Altären mit den Früchten der Erde und der menschlichen Arbeit. Was für ein Segen…

Erntedanksegen
Mögen in diesen herbstlichen Tagen deine Augen die Fülle sehen,
die die Natur für uns bereithält.
Möge dein Herz sich dafür öffnen und weit werden,
auf dass alle Enge in dir sich löst.
Mögen deine Hände sich öffnen und verschenken,
was dir gegeben ist.
Denn alle Winter des Lebens
lassen sich nur bestehen,
wenn wir teilen,
was uns nährt.

Text und Bild: Katja Süß, Lehrerin an einem Koblenzer Gymnasium und Mitglied der Dominikusgruppe Speyer, einer dem Institut St. Dominikus angegliederten dominikanischen Laiengemeinschaft