Das tiefste Geheimnis bleibt Gott

Autorin: Sr. Lucia Jöckle OP

„Das Geheimnis besitzt Tiefe, das Rätsel bleibt an der Oberfläche. Das Rätsel ist nur interessant, solange es nicht gelöst ist. Ist die Lösung gefunden, hat es seinen Reiz verloren … Ganz anders das Geheimnis: Je mehr ich von ihm verstehe, desto größer wird es. Das Geheimnis fürchtet nicht das Denken, es scheut nicht das Fühlen. Es lädt uns vielmehr ein, seine Größe und Tiefe zu bestaunen. Es lockt uns zu erkennen, mit allen Sinnen wahrzunehmen, und doch kommen wir damit nie zu Ende. Es kann bewohnbar werden, und doch bleibt es fremdes Land. So bleibt die Liebe ein Geheimnis wie auch der Mensch, der nicht Wert sondern Würde hat. Wenn sich sein Wert bemessen ließe, wäre das Geheimnis vertrieben. Die Liebe bleibt ein großes Geheimnis, das tiefste Geheimnis aber bleibt Gott …“ (nach Rolf-Dieter Seemann).

Ich wünsche ihnen und auch mir, dass wir zu diesem Geheimnis immer mehr vordringen. Etwas davon beginnen wir zu erahnen, wenn wir am Sonntag den 1. Advent feiern. Schritt für Schritt, vier Wochen lang, gehen wir auf das für mich größte Geheimnis zu: Die Feier der Menschwerdung Gottes.

Vor einigen Jahren habe ich ein echtes Aha-Erlebnis gehabt. Ich las in einem längeren theologischen Text und die Seite endete mit: „Gott geht unter“ das hat mich aufhorchen lassen! Aber weiter geblättert ergab es Sinn: … „die Menschen“. Also zusammen gelesen: „Gott geht unter die Menschen“.

Ich wünsche uns, dass wir an Weihnachten der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth vor zweitausend Jahren nicht nur nostalgisch verpackt gedenken, sondern begreifen und mit allen Sinnen wahrnehmen, dass es auch heute gilt: Gott geht unter die Menschen!

Ich lade Sie ein zu einem Gebet

Herr, unser Gott,
du bist und bleibst für alle Zeiten das große Geheimnis.
Sei uns nahe und leite uns,
wenn wir etwas von deiner Größe zu verstehen uns bemühen,
wenn wir spüren,
dass die Botschaft von deiner Menschwerdung uns ganz persönlich angeht,
wenn du auch heute unter die Menschen gehst,
und wir dich oft nicht erkennen im Bruder, in der Schwester.
Herr sei uns nicht Rätsel, sei uns Geheimnis!
Amen.