Palmsonntag


Palmsonntag – Jesus kommt nach Jerusalem, um dort das Wallfahrtsfest Pessach zu feiern. Er ahnt schon, dass das nicht gut für ihn ausgehen wird. Jesus hat nämlich nicht vor, den Mächtigen nach dem Mund zu reden,
er wird Missstände ansprechen und klare Kante zeigen,
aber er wird sich auch abgrenzen
gegen die Projektionen seiner Umwelt,
die in ihm gerne einen König sehen will,
der sie aus der Herrschaft der Römer befreit.
Jesu Einzug nach Jerusalem geschieht auf einem Esel
und nicht auf einem Schlachtross,
und die gleiche Menschenmasse, die ihn da jubelnd empfängt,
wird wenig später seinen Tod fordern.

Der Palmsonntag lässt mich kritisch aufhorchen:
Wie oft geschieht es, dass Menschen einem Idol folgen,
doch wenn es ent-täuscht, also die Täuschung,
die sich Menschen von ihm machen, wegfällt,
dann kann es zu schlimmen Hassreden kommen.
Verehrung schlägt um in abgrundtiefe Verachtung.

Vielleicht ist heute ein guter Tag,
sich Gedanken zu machen,
ob ich von meinen Mitmenschen ein festes Bild habe,
dem sie – meiner Meinung nach – entsprechen müssen
oder ob ich in der Lage bin,
mich auch von ihnen überraschen zu lassen,
ob ich ihre persönlichen Entscheidungen und Lebenswege respektieren kann, ohne ein Urteil darüber zu fällen – das mir ohnehin nicht zusteht!

Ein Satz von Thomas Merton ist mir heute ganz wichtig:
„Unsere Vorstellung von Gott sagt mehr über uns als über ihn!“
und ich möchte diesen Satz noch erweitern, indem ich sage:
„Unsere Vorstellung von einem anderen Menschen
sagt mehr über uns als über ihn! „
Schauen wir heute also mal genau hin,
wo wir selbst Opfer unserer Projektionen sind
und wo wir andere zu Projektionsflächen unserer Wünsche machen.
Und bedenken wir: Niemand in dieser Welt ist rein und perfekt.
Wenn du Menschen wegen ihrer Fehler meidest,
wirst du allein bleiben in dieser Welt.

Richte weniger und liebe mehr!

Text: Carsten Schulze, Pfarrer, Essingen bei Landau
Bild: Sr. M. Theresa Ludwig OP