„Mensch, wo bist du?“

„Mensch, wo bist du?“: so lautet der Titel des Hungertuchs aus dem vergangenen Jahr. „Mensch, wo bist du?“ mit dieser Frage sucht Gott die ersten Menschen im Paradies. Das Hungertuch lädt ein, eigene Antworten zu finden. Wo stehe ich, und wofür stehe ich auf? Wer bin ich? Was macht mich aus?
Fragen, die in der aktuellen Situation ganz neu klingen und Sinn machen. Wenn der Alltag, die Gewohnheit, der Stress wegfallen und mit einem Mal Gefühle in mir wachwerden, die ich sonst ganz gut wegdrücken kann… Trauer, Leid, Ungewissheit, Angst, Zweifel …
Der Künstler Uwe Appold hat mit Erde aus dem Garten Gethsemane in Jerusalem gearbeitet. Die Erde von dem Ort, der für die Angst und Einsamkeit Jesu steht, bevor er seinen Weg zum Kreuz beginnt, sie bildet die Grundlage für den goldenen Ring und das „gemeinsame Haus“ mit der offenen Tür: Im Zentrum steht die Zusage Gottes, dass seine Liebe besonders die Ausgegrenzten mitten hinein holt. Zu seinem Werk und dem Thema sagt er selber: „Wer die Frage ‚Mensch, wo bist du?‘ ernst nimmt, wird zugleich in sich selbst hineinhören. Was mache ich gegen die Zerstörung der Schöpfung, die Ungerechtigkeit und die soziale Not? Wo stehe ich in diesem einen, gemeinsamen Haus?“
Mensch, wo bist du? Ich könnte mich einlassen auf diese Frage, könnte hin hören, gerade jetzt, auf die leisen Töne, könnte hineinhorchen in mein Inneres, wo jetzt die Fragen lauter werden… Mensch, wo bist du?
Ich bin bei meinem Namen gerufen, ich bin wichtig an meinem Platz, mit meinen Fähigkeiten, meiner Aufgabe. Was ich tun kann, hat einen Sinn. Ich kann Menschen ansprechen, zuhören, gern haben… Vielleicht ist das nicht viel, aber es ist trotzdem wichtig, unersetzlich, einzigartig.
Das bin ich, wenn jemand mich fragt, wer ich bin. Das kann ich sagen… und vielleicht auch: Hier bin ich!

Text : Annette Schulze (Klinikseelsorge BG Unfallklinik Ludwigshafen)
Bild: Hungertuch 2019 von Uwe Appold