Frühlingsboten

Ende Februar konnten wir schon mal draußen sitzen und einen Kaffee trinken. Wunderbar. Jeder einzelne Sonnenstrahl tut gut. Draußen sein zu können, ohne zu frieren, und das einfach genießen zu können, das ist schon etwas Besonderes. Gerade in diesem Jahr, in dem wir uns von so vielem eingeschränkt und eingesperrt fühlen. Ein ganzes Jahr sind wir schon im Ausnahmezustand – bleiben zu Hause, vermeiden Kontakte, halten Abstand. Alles hat sich verändert in diesem einen Jahr: Arbeiten, Einkaufen, Werktag und Sonntag, Feste und Alltag. Alles ist bestimmt vom Rhythmus und den Wirkungen dieses Virus, das uns unverhofft überfällt oder zu überfallen droht.
Keine Sicherheit mehr, sondern vielmehr Angst. Keine Nähe mehr, sondern Distanz. Es ist nicht leicht auszuhalten – und noch ist kein Ende in Aussicht.
Und trotzdem wird es Frühling um uns. Die Knospen von Schneeglöckchen, Krokus und Osterglocke schauen fröhlich aus der Erde und erinnern uns daran, dass wir leben.
Sie erzählen von Farben, von Wachstum, von Schönheit und machen uns bewusst, dass all das, was wir in ihnen sehen, auch in uns angelegt ist. Farben, Schönheit, Leben – das macht uns aus, das gehört zu uns. Darauf können wir hoffen, daran können wir festhalten, auch wenn es sich zur Zeit gerade gar nicht nach Farbe, Schönheit und Leben anfühlt.
Frühlingsboten – draußen, so unscheinbar und doch ein Wunder. Was wäre, wenn wir drinnen selber zu Frühlingsboten und -botinnen würden? Wenn wir uns öffnen für das Leben, für das Wunder, das wir selber sind und die Menschen, mit denen wir leben? Was wäre, wenn wir das in ganz kleinen Dingen wahrnehmen und dann laut aussprechen: Wie schön die Sonne in Ihren Laden scheint! Haben Sie schon gesehen, dass die Forsythie anfängt zu blühen? Oder wenn wir eine kleine Primel kaufen und sie einem Menschen schenken, dem wir begegnen – jemand, den wir kennen oder auch einem ganz fremden Menschen, der aussieht, als könnte er oder sie eine Frühlingsbotin, einen Frühlingsboten brauchen?
Ich probiere das aus – vielleicht haben Sie auch Lust dazu. Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei – und gute Erfahrungen mit den Frühlingsboten – draußen und drinnen!

Text: Annette Schulze Pastoralreferentin,Klinikseelsorgerin,   Geistliche Mentorin
Bild:schneegloeckchen1_by_Christiane_Raabe_Pfarrbriefservice