Kurz vor Weihnachten werden die sogenannten O-Anthiphonen in der Liturgie gesungen. Eine hat zum Thema den Schlüssel Davids, der öffnet und niemand kann schließen. Bei diesem Text erinnerte ich mich an ein Erlebnis im Kinderdorf.
Ich war mit der Helferin in der Speisekammer, außen steckte der Schlüssel in der Tür. Karlheinz 5 Jahre alt erfasste die Gelegenheit und schloss uns beide in die Speisekammer ein. Es gab kein Entkommen. Das Fenster war vergittert. Unser Rufen und Betteln half nichts. Karlheinz hatte den Schlüssel versteckt und gab das Versteck den anderen Kindern nicht preis. Wir mussten warten bis eine Schwester aus dem Nachbarhaus kam und Karlheinz bewegen konnte, das Versteck zu verraten.
Eingeschlossen zu sein das war ein seltsames Gefühl. Aus eigener Kraft eine Tür nicht öffnen zu können, angewiesen sein auf andere, eine ganz besondere Erfahrung. Eine Erfahrung, die mich nachdenklich macht.
In dieser Situation hatte ich jedoch die Sicherheit, es wird uns jemand aufschließen. Wie lange es bis dahin dauern wird, ungewiss.
Diese Sicherheit fehlt mir aber in manchen Situationen, wenn ich mich oder andere ein- oder ausschließen. Hier sind andere Schlüssel gefragt. Ich verweigere mir anderen und anderen manchmal den Zugang zum Leben, habe den Schlüssel zu mir und den Mitmenschen verloren.
Die O-Antiphon weißt mich auf den hin, der mir öffnen kann.
Mit der Geburt Christi, kommt uns Gott entgegen mit dem Schlüssel zu unserem Nächsten, zu uns und zu Gott selbst.
Sein Schlüssel ist die Liebe.
Text: Sr. Annemarie Kirsch OP
Bild: pixabay key-4771765_1280