Engel und Plätzchen backen


Engel und Plätzchen backen – beides gehört irgendwie zum Advent. Jedes Jahr hole ich die kleinen Holzengel aus der Weihnachtskiste und stelle sie an ein schönes Plätzchen. Manche können ein Teelicht halten, andere stehen nur da und spielen ihr Instrument – ganz still natürlich. In diesem Jahr muss ich ihnen einen neuen Platz suchen. In der neuen Wohnung gab es noch keinen Advent, keine Engel, keine Weihnachtsbäckerei. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich schon darüber nachgedacht, es in diesem Jahr einfach mal zu lassen. Nicht adventlich zu schmücken, nicht zu backen. Keine Sterne an den Fenstern, kein Duft nach Nüssen und Zimt, kein Adventskranz und keine Engel. Weil das Leben dadurch auch nicht besser wird, nicht einfacher, nicht schöner. Es macht nur mehr Arbeit. Der zweite Corona- Winter lässt mich nicht gerade froher in Richtung Weihnachten blicken. So viel Ungewissheit und Sorge um Kranke und Genesene beschäftigen uns, Abschiede, die nicht gewürdigt werden konnten und Verantwortung, die alle bisher gegangenen Wege in Frage stellt. Was sollte da ein bisschen Adventsschmuck und ein paar gebackene Engelsaugen verändern?
Der Plätzchenengel bläst in seine Posaune. Unbeirrt. Vielleicht, weil das seine einzige Aufgabe ist. Vielleicht will er aber auch daran erinnern, dass es schon immer schwierige Zeiten gab, in denen Menschen am Verzweifeln waren, in Angst und Ungewissheit leben mussten und voller Sorge um ihre Lieben. Wie wir heute. Und dann werden ihnen und uns Worte zugesagt wie: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter. Eure Erlösung ist nahe!“ Auch wenn wir die alten Worte erst ins Heute übersetzen müssen, wird klar, dass da von Hoffnung die Rede ist. Hoffnung auf Licht, auf Leben – auf einen, der unser Leben teilt in aller Sorge und Ungewissheit und Angst, wie es weitergehen kann und wird. Und das ist doch, was wir uns in der Tiefe unserer Seele wünschen: dass wir nicht alleine sind und bleiben, dass jemand da ist, um zuzuhören, zu verstehen und uns in den Arm zu nehmen. Uns zu „erlösen“, das klingt ein wenig groß, aber letztlich ist es genau das: „erlösend“, wenn wir von der Angst und dem Dunkel weg den Blick zum Licht hinwenden. Mitten im Dunkel ein Licht anzünden – das kann bedeuten, für einen anderen Menschen Licht zu sein, aber es kann auch schlicht heißen, eine Kerze anzuzünden – jede Woche eine mehr – und der Sehnsucht nachzuspüren, die wir in uns tragen: nach Leben und Licht.
Ich will den Advent nicht ausfallen lassen, auch dieses Jahr nicht. Ich will das Dunkel aushalten und zugleich dem Licht Raum geben – und dem Engel zuhören, der mir die Nähe Gottes verspricht, auch wenn sie in diesem Jahr eher ein Fremdwort für mich ist. Vielleicht hilft mir das Aufstellen der Weihnachtsengel, das Anzünden einer Kerze oder auch das Ausrollen und Ausstechen der Plätzchen dabei, wach zu werden, aufmerksam für die Gegenwart Gottes. Im Stall oder in meiner neuen Wohnung, in der Armut oder in der Fülle unserer Welt – und auch im Duft und Geschmack eines Plätzchenengels… Warum auch nicht?

Text: Annette Schulze Pastoralreferentin, Klinikseelsorgerin,   Geistliche Mentorin
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